Der Mond im Schlafrock

Sylvestermond

Der Mond steht kurz vor halb sieben, in drei Tagen wird er halbiert sein. Er kämpft sich durch die ziehenden dunklen Wolken, welche endlich einmal ein wenig Winter ankündigen. Unter ihm glimmert und flimmert es. Neugierig lenkt er mit dem Monokel seiner uralten Cousine Phoebe einen Sonnenstrahl zur Erde. Das Monokel, welches die dunkle Phoebe benötigte, um ihren weit entfernten Bruder Ymir zu beobachten, hatte vor langer langer Zeit ein galaktischer Teilchensturm zum Mond geweht. Er leuchtet mit dem Strahl das Reich der Elfe Hedwig aus. Erst dachte er, er könne sie durch die verfrühte Ballerei von Sylvesterraketen gar nicht ausmachen, aber dann bemerkt er ihren Flugstil. Sie streckt ihren Elfenstab mit beiden Händen nach vorne und peest in Loopings durch die bunten Raketenschweife und Leuchtsterne. Es scheint ihr sichtlich Spaß zu machen. Als sie sich für eine Verschnaufpause unter ihren Hollerbusch setzt, spricht er sie an.
»Du bist ja schon mächtig beim Feiern, Hedwig.«
»Ja, weißt du, wer soll denn bei dieser Ballerei schlafen. Außerdem ist es sehr amüsant, Parcours zu fliegen.«
»Paß bloß auf, dass du dir nicht deine zarten Flügel versengst und abstürzt wie Ikarus.«
»Papperlapapp, ich stürze nicht ab. Und wenn das neue Jahr beginnt, bleibe ich eh unten, denn dann habe ich keine Chance mehr rechtzeitig auszuweichen. Und was machst du heute noch so?«
»Blöde Frage. Scheinen, was sonst. Allerdings werde ich in dieser Nacht wohl nicht sehr viel Aufmerksamkeit bekommen. Und die Sterneputzerin kann ich auch nicht empfangen, das geht erst wieder in 10 Tagen.«
»Wie läuft es denn mit deiner Sterneputzerin?«
»Wunderbar. Nur habe ich ein kleines Problem. Sie meinte, ich könnte ihr bei unseren monatlichen Treffen doch mal etwas kochen, dann muss sie nicht immer den gleichen Fraß von MacGalakticus essen. Ich kann doch aber nicht kochen, nur Caipirinha mixen.«
»Oh, wenn ich dich besuchen könnte, würde ich dir das kochen schon beibringen. Aber wie soll ich zu dir hoch kommen?«
»Was? Das würdest du tun? Dann werde ich mal stark nachdenken - wir werden schon eine Lösung finden. Und damit haben wir gleich ein gutes Vorhaben für das neue Jahr. Was hält'st du davon?«
»Abgemacht«, sagt die Elfe. »Du findest eine Möglichkeit und ich stelle die Rezepte zusammen.«
Die Elfe schwingt sich wieder hinauf und verabschiedet sich mit Loopings vom Mond, welcher das Monokel wieder in seinen Schlafrock steckt. Er freut sich auf das kommende Jahr und hätte sich gern sofort einen Caipirinha gemixt, aber leider hat er noch 10 Tage Dienst. Langsam verschwindet er gen Westen und dann geht die Ballerei erst richtig los. Das neue Jahr legt sich wie ein glimmerndes Band von Ost nach West über den Erdball.

© Christian Koch

(vom 30.12.2015, 16:03 Uhr)

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